[8. Workshop] Emotionen, Politik und Medien in der Zeitgeschichte: ein interdisziplinärer deutsch-französischer Vergleich im Rahmen einer europäischen Emotionsgeschichte

Organisiert von Dr. Valérie Dubslaff (MCF Université Rennes 2), Jasmin Nicklas (Université Paris-Sorbonne / Universität des Saarlandes) und Dr. Maude Williams (Laboratoire EHNE / Ruhr-Universität Bochum)

Das Programm finden Sie hier.

Emotionen durchdringen den Alltag der Menschen, nehmen Einfluss auf deren Handeln und Entscheidungen, dementsprechend ist auch die Geschichte durch Emotionen geprägt. 1941 von Lucien Febvre ins Leben gerufen, hat die Geschichte der Gefühle bzw. die Emotionsgeschichte insbesondere in den letzten zehn bis zwanzig Jahren eine Hochkonjunktur erfahren. Die Arbeiten des Ehepaars Stearns, William Reddys und Barbara Rosenweins brachten die Emotionsgeschichte entscheidend voran. Aber auch die Publikationen von deutschen Historikerinnen und Historikern wie Ute Frevert, Birgit Aschmann und Jan Plamper und von französischen Historikern wie Alain Corbin und Georges Vigarello trugen zur Etablierung des neuen Forschungszweiges innerhalb der Geschichtswissenschaften bei. Emotionen sind jedoch nicht nur Untersuchungsgegenstand der Geschichtswissenschaften, sondern stehen auch in weiteren Disziplinen der Geistes-, Kultur-und Sozialwissenschaften, wie beispielsweise in der Soziologie, der Ethnologie, den Politikwissenschaften und der Philosophie im Zentrum aktueller Forschungsdebatten. Und selbst die Naturwissenschaften beschäftigen sich seit etwa 15 Jahren zunehmend mit der Entstehung und Wirkweise von Emotionen.

Die Tagung möchte Emotionen in Politik und Medien sowie deren Interdependenzen in Frankreich und Deutschland in den Blick nehmen. Ebenso sollen Emotionstransfers zwischen den beiden Ländern sowie deren Bedeutung für die Idee einer europäischen Emotionsgeschichte diskutiert werden. Sie richtet sich insbesondere an Nachwuchswissenschaftler*Innen verschiedener Disziplinen der Geistes-und Sozialwissenschaften. Die Wahl des Schwerpunktes der Tagung ist auch durch die aktuelle politische Situation bedingt: europaweit versuchen rechte populistische Bewegungen Stimmen durch einen emotionalisierten Wahlkampf zu gewinnen und haben, wie u.a. die letzten Wahlen in Frankreich und der Bundesrepublik gezeigt haben, mit dieser Methode durchaus Erfolg. Die sozialen Netzwerke, die die Nachrichtenwelt durch ihre Einflussnahme ergänzen, sehen sich mit der Problematik der „Fake-News“ konfrontiert, deren Inhalte in der Regel gezielt Emotionen bei den Rezipienten hervorrufen sollen.

Die Zunahme des Emotionalen im Alltag ist jedoch kein Phänomen, das sich ausschließlich auf die Gegenwart begrenzen lässt. Vielmehr eröffnet dieser aktuelle Bezugsrahmen den Blick für die Relevanz historischer, kulturwissenschaftlicher und soziologischer Fragestellungen, die sich mit der Wechselwirkung von Emotionen, Medien und Politik in der europäischen Zeitgeschichte auseinandersetzen. Seit dem Aufkommen der Massenmedien erreichen Politiker nahezu alle Menschen; neben Argumenten setzen sie auf Emotionen, um ihre Wähler von ihren Ideen zu überzeugen. Emotionen können – negativ ausgelegt – auch als Manipulationsinstrumente innerhalb verschiedener politischer Systeme missbraucht werden. Die Manipulationskraft von Emotionen eröffnet die Perspektive für Fragen nach deren unterschiedlichem Einsatz in Diktaturen, autoritären Regimen und Demokratien. Auf welche Weise bedienen sich die verschiedenen politischen Akteure Emotionen, um ihre eigenen Positionen durchzusetzen? Welche Unterschiede bestehen im Einsatz solcher emotionalen Verführungsmethoden zwischen Diktaturen und Demokratien? Gibt es Veränderungen der emotionalen Praxis im Zeitverlauf? Wie veränderten die audiovisuellen (Massen-)Medien die politische Kommunikation und die Verwendung von Emotionen in politischen Diskursen? Auch Fragen, die sich mit Emotionen in Kriegs-und Friedensgesellschaften auseinandersetzen, sind von besonderer Bedeutung: Welchen Stellenwert nehmen beispielsweise Emotionen in der Propaganda des Zweiten Weltkrieges ein? In diesem Kontext bietet sich ein Vergleich zwischen dem demokratisch geführten Frankreich und dem „Dritten Reich“ unter der Herrschaft des Nationalsozialismus besonders an.

Ein weiteres Forschungsfeld eröffnet sich im Bereich der Wechselwirkung zwischen Politik, Werbung und Emotionen: hierbei geht es um die AnwendungvonWerbetechniken in der politischen Praxis. Welche Emotionen werden in beiden Kommunikationsmodellen genutzt? In der Zwischenkriegszeiterlebten die neuen Werbemethoden, die in den USA entstanden waren, auch in den europäischen Massenmedien einen Aufschwung. Besonders interessant wäre daher zu untersuchen, welchen Einfluss die Werbemethoden der damaligen Zeit auf die politische Kommunikation nahmen. Gleichzeitig wäre einesolcheFragestellung auch für die Nachkriegszeit – das goldene Zeitalter der Werbung – relevant. Bedienten sich Politiker der neuen emotionsorientierten Methoden, die Werbespezialisten im Zuge der Etablierung der Konsumgesellschaft entwickelten? Mit der europäischen Integration und der damit einhergehenden Etablierung des Binnenmarktes etablierte sich in der Nachkriegszeit eine europäische Werbebranche, die dennoch weiterhin durch interkulturelle Unterschiede der verschiedenen Nationen geprägt ist. Kann eine beginnende Homogenisierung der Werbetechniken und der politischen Kommunikation auf europäischer Ebene festgestellt werden? Kann von einer europäischen Emotionskultur gesprochen werden oder handelt es sich auch weiterhin um länderspezifische Emotionskulturen?

Mit Unterstützung der UFA-DFH