Die Anschubfinanzierung „Bourse coup de pouce“ 2016 wurde an Tristan Martine (Paris Est Marne-la-Vallée/ Université de Lorraine) für seine Veranstaltung verleiht:
Grafen und Klöster in der fränkischen Welt: Ende des 9. Jahrhunderts – 11. Jahrhunderts
30.06 – 01.07.2016, Goethe-Universität in Frankfurt-am-Main
Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte lässt sich die Herausbildung einer neuen historiographischen Perspektive auf die Beziehungen zwischen der säkularen und der geistlichen Welt des nach-karolingischen Europas feststellen2. Somit hat sich die Forschung zum Mönchtum stark verändert, im Besonderen was die Frage der räumlichen Präsenz der geistlichen Institutionen und das Verhältnis der Mönche zur memoria aristokratischer Familien angeht. Dieser Wandel lässt sich vor allem auf die gegenwärtige Auswertung der mittelalterlichen Quellen über die Beziehung zwischen Klerikern und säkularen Lehnsherren zurückführen. Daher erscheint es unabdingbar, sich nicht nur mit den geistlichen Schriften auseinanderzusetzen, in denen die Raubgier der säkularen Äbte und Vögte beschrieben wird, sondern klar den gregorianischen Diskurs von der prä-gregorianischen Realität zu unterscheiden.
Ein großer Teil der Forschung konzentrierte sich bisher auf Kaiser und Könige (vor allem in der deutschsprachigen Historiographie) oder Herzöge (vor allem in der französischsprachigen Geschichtsschreibung). Diese Tagung widmet sich den Grafen, die weniger prestigeträchtig, weniger gut dokumentiert und erforscht sind. In der nach-karolingischen Gesellschaft, deren territoriale Strukturen ständig Transformationen ausgesetzt waren, kam den Grafen — je nach analysiertem Raum — eine zentrale politische Rolle zu, die sie auch mithilfe der Klöster als Stützpunkten ausbauen konnten.
Während zu den Bischofssitzen, deren Erlangung für die gesamte Familie einen erheblichen Machtzuwachs darstellte, intensive Forschung betrieben wurde — insbesondere in den Studien zum (heute überholten) Begriff des „Reichskirchensystems“— soll nun den Klöstern mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn die Klöster waren vor allem für die Machtverhältnisse der geistlichen Reformbewegungen im 10. und 11. Jahrhundert von zentraler Bedeutung.
Ziel der Tagung ist der Vergleich der Königreiche Ostfrankenreich, Westfrankenreich und Burgund, denn die regionalen Zustände in den kaiserlichen bzw. königlichen Machtzentren variieren stark von Regionen, in denen diese sich nicht durchsetzen konnten.
Die Abstracts können sich auf folgende Fragestellungen beziehen: Laienabt und Vogtei unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses von Klöstern auf die Territorialpolitik der Grafen. Gegenstand können weiterhin die Transformationen, die von den verschiedenen Reformen (Cluniazensische Reform, Lotharingische Reform und Gregorianische Reform) verursacht wurden sowie die Rolle der Grafen in diesen Bewegungen sein. Ferner stellen auch gräfliche Stiftungen, insbesondere deren Verbindung zur Familienmemoria, ein wichtiges Thema dar.
Teilnehmer*innen : Pierre Monnet (Francfort/EHESS), Tristan Martine (Paris Est Marne-la-Vallée/ Université de Lorraine), Charles Mériaux (Lille 3), Rafael Wagner (Bâle), Johannes Waldschütz (Fribourg-en-Brisgau), Nicolas Ruffini-Ronzani (Namur), Paul Chaffenet (Lille 3/Bruxelles), Thomas Kohl (Tübingen/Francfort), Sébastien Fray (Saint-Etienne), Florian Dirks (Hambourg), Esther Dehoux (Lille 3), Michel Margue (Luxembourg)
Veröffentlichung in der Zeitschrift des CIERA :
Tristan MARTINE (Ed.), Comtes et abbayes dans le monde franc (Francie occidentale, Francie orientale et Bourgogne). Fin IXe – fin XIe siècle / Grafen und Klöster in der fränkischen Welt (Ostfrankenreich, Westfrankenreich und Burgund). Ende 9. Jahrhundert – Ende 11. Jahrhundert, Trajectoires, 2017, online erhältlich: https://doi.org/10.4000/trajectoires.2178