Die Anschubfinanzierung „Bourse coup de pouce“ 2023 wurde an Jasmin Berger (Hochschule Fulda und Université Toulouse Jean Jaurès), Geronimo Groh (Université Toulouse Jean Jaurès) und Simone Lettner (Universität Salzburg et Université Toulouse Jean Jaurès) für ihre Veranstaltung verleiht:
Sprache(n) und Grenze(n)/Sprachgrenzen: Übersetzen, Dialekt und Literatur, literarische Mehrsprachigkeit
25.05 – 26.05.2023, Université Toulouse Jean Jaurès (Hybridveranstaltung)
Bei dem Begriff der Grenze handelt es sich, wie die jüngeren politischen Ereignisse nun auch in Europa zeigen, um einen spannungs- und konfliktvollen Terminus von höchster Brisanz.
Sowohl Grenzbestimmungen als auch Sprachgemeinschaften sind in der Lage, Orientierung zu bieten, Zugehörigkeit zu schaffen und Identität zu stiften (z.B. Kremnitz 1995). Eine zentrale Rolle kommt nicht zuletzt der Abgrenzung von Fremdem zu, denn Grenzen konstituieren gleichermaßen das Fremde und das Eigene, sie fungieren ebenso exklusions- wie inklusionsbildend und sind insofern geprägt von der Dualität von Einschränkung und Öffnung. Nur scheinbar, und das zeigen die Ereignisse im Osten Europas auf einer machtpolitischen Ebene derzeit wieder auf, nehmen Grenzen eine statische Ausprägung an – tatsächlich aber sind Grenzbildungen und damit diese konstituierende Faktoren wie Sprache und Kultur permanent Gegenstand dynamischer Aushandlungen. Diesbezüglich stellt sich die in die Literaturwissenschaft bereits eingegangene Frage nach Formen von Liminalität und der Bedeutung von Schwellen (vgl. die Reihe „Literalität und Liminalität“, 2007ff.), einem Terminus, den Walter Benjamin klar vom Begriff der Grenze abgegrenzt wissen wollte (Benjamin 1982 [1927–1940], S. 618), nicht zuletzt gerade für die Konturierung, Kontaminierung und Transgression von Grenzen. Der Umstand, dass Grenzen in Fluss geraten, sich auflösen oder verwischen können, ist als äußerst herausfordernd anzusehen, geht er doch meist mit Krisenphänomenen und Identitätsverlust einher. Literatur bietet hier in vielen Fällen einen Halt und ermöglicht ein Produktivwerden von Grenzen im Sinne einer Krisenüberwindung und der ästhetischen Gestaltung von Grenzüberschreitungserfahrungen.
Die geplante Journée d’Étude (Fachtagung) visiert einen internationalen und interdisziplinären Austausch an. Deutsch- und französischsprachige Beiträge, die unterschiedliche Aspekte von Sprachgrenzen aus literaturwissenschaftlicher, linguistischer und kulturwissenschaftlicherPerspektive untersuchen, sind willkommen. Die Auseinandersetzung mit aktuellen soziopolitischen und sozioökonomischen Krisen und Debatten, insofern sie über Sprache und Literatur ausverhandelt werden, ist ebenso erwünscht wie eine Nutzbarmachung der grundlegend historischen Ausrichtung von Sprach-, Kultur- und Literaturwissenschaft, um das aktuell brisante Verhältnis von Sprache(n) und Grenze(n) im Hinblick auf Phänomene aus früheren Epochen zu perspektivieren. Eine Fokussierung auf bestimmte thematische Schwerpunkte scheint angesichts der Weitläufigkeit des Interessensbereichs von ‚Sprache und Grenzen‘ notwendig; daher wird um literatur-, sprach- und kulturwissenschaftliche Beiträge zu folgenden Themenbereichen und mit ihnen zusammenhängenden Fragestellungen gebeten:
- Übersetzungen (Translationswissenschaft, Kontrastive Linguistik, etc.)
- Dialekt und Literatur
- (literarische) Mehrsprachigkeit